Kälteexposition und Gesundheit: Wie beugt man einer Unterkühlung oder Erfrierung vor und wie leiste ich im Ernstfall Erste Hilfe?

Unterkühlung

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Die menschliche Anpassungsfähigkeit an verschiedene Umweltbedingungen steht im Fokus zahlreicher wissenschaftlicher Untersuchungen. Unter den extremen Umweltbedingungen, nimmt die Kälte einen besonderen Platz ein. Die Exposition gegenüber niedrigen Temperaturen kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen wie Erfrierungen führen, die bei unzureichender Vorbereitung oder extremer Kälte auftreten können. Weltweit beträgt die Gesamtmortalität an Kältetoten 5 083 173 Menschen pro Jahr. Diese Zahl ist ca. 20 mal höher als die Anzahl der Hitzetoten pro Jahr. Kälte betrifft uns alle, vor allem in den Wintermonaten. Wie erkennt man nun eine Unterkühlung und was kann ich im Notfall für andere oder mich tun?

Unterkühlung

Unterkühlung (Zay Nyi Nyi/iStock)

Unterkühlung - Hypothermie

Definition

Von einer Unterkühlung spricht man, wenn die Körperkerntemperatur unter 35°C abfällt und der Körper auf längere Sicht mehr Wärme verliert als er produzieren kann. Dies kann passieren, wenn wir im Winter eine längere Zeit im Freien sind. Eine kalte Wohnung, Regen oder Schweißnässe können ebenfalls der Grund für eine Unterkühlung sein. Besonders betroffen sind Kinder, aufgrund ihres größeren Verhältnisses von Körperoberfläche zu Körpermasse, ältere Menschen und erschöpfte Personen. Aber auch beeinträchtigte Menschen (Alkohol, Drogen,...) haben ein höheres Risiko, eine Unterkühlung zu erleiden. 

Einteilung der Hypothermie

Die Hypothermie kann in drei verschiedene Klassen eingeteilt werden:

Mild35-32°C
Moderat32-28°C
Schwer<28°C

Je nach Grad und Schwere der Unterkühlung können verschiedene Symptome auftreten, wie zum Beispiel Zittern, Frösteln oder Blutdrucksteigerungen. Bei moderaten bis schweren Unterkühlungen kann es von einem verlangsamten Herzschlag und einer reduzierten Atmung bis hin zum Ausfall der Atmung und somit zum Atem-Kreislaufstillstand kommen. 

Die Rettungskräfte vor Ort teilen ihre Patienten meist nach dem Schweizer Klassifizierungssystem ein, welches sich in folgende fünf Stadien untergliedert:

StadiumKennzeichenTemperatur
Stadium IFrieren, Ansprechbar, klares Bewusstsein35-32°C
Stadium IIerschwert ansprechbar, Bewusstseinstrübung32-28°C
Stadium IIInicht ansprechbar, bewusstlos28-24°C
Stadium IVScheintod, keine/minimale Lebenszeichen<24°C
Stadium VTod<15°C

Wärmeregulation des Körpers und Symptome einer Hypothermie

Der Körper steuert die Wärmeprozesse über Temperatursensoren. Diese Sensoren messen den Ist-Wert, welcher dann mit einem Sollwert abgeglichen wird. Ist der Ist-Wert niedriger als der Sollwert, versucht der Körper, über Aktivität z.B. Zittern den Ist-Wert zu erhöhen. Wenn der Ist-Wert über dem Sollwert liegt, versucht der Körper z.B. mittels Schwitzen sich abzukühlen. Durch das Blut wird die Wärme in alle Körperareale transportiert. Wenn unser Körper die Abweichungen vom Sollwert nicht mehr kompensieren kann, kommt es entweder zur Unterkühlung oder zum Fieber. 

Bei einer Unterkühlung versucht unser Körper, die wichtigsten Organe so lange wie möglich zu schützen. Dadurch wird die Durchblutung im Körperstamm erhöht und die Extremitäten reduziert. Dieses Phänomen nennt man auch Kreislaufzentralisation und erklärt, warum uns in den Fingern und Zehen meist zuerst kalt wird.

Frierendes Mädchen

Mädchen friert (Mitrey/pixabay)

Je nach Stadium gibt es andere Symptome, die auf eine Unterkühlung hinweisen:

StadiumSymptome
Stadium I

Muskelzittern, tiefe Atmung, erhöhter Puls, klares Bewusstsein

Stadium II

Beeinträchtigung der Hirnfunktionen, steife Muskeln, Schläfrigkeit, kaum ansprechbar

Stadium III-Vabsolute Lebensgefahr, bewusstlos, Puls kaum tastbar

Ab einer Körperkerntemperatur von <24°C kommt es zum Atem-Kreislaufstillstand. Menschen mit einer Unterkühlung sind sich ihrer Situation meist nicht bewusst, da durch die eingeschränkten Gehirnfunktionen das Bewusstsein verändert ist. Es kommt zu Verwirrtheit, Müdigkeit, Schläfrigkeit und Bewusstlosigkeit.

Allgemeine Erste Hilfe Maßnahmen

Bei Anzeichen einer Unterkühlung sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

Euronotruf 112 Euronotruf 112

Allgemeine Erste Hilfe Maßnahmen

Bei Anzeichen einer Unterkühlung sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

  1. Notruf verständigen: in Österreich und der Schweiz unter der Nummer 144 oder in Deutschland und europaweit unter 112
  2. Bewusstsein überprüfen
    Die betroffene Person ansprechen und sanft schütteln. Wichtig ist, dass Sie laut und deutlich sprechen.
  3. Überprüfung der Atmung
    1. Sollte die Person eine normale Atmung besitzen, bringen Sie sie in die stabile Seitenlage und warten Sie das Eintreffen der Rettungskräfte ab. Wichtig ist, dass Sie die Atmung fortlaufend immer wieder kontrollieren, damit Sie möglichst früh einen Atem-Kreislauf-Stillstand bemerken und mit den Reanimationsmaßnahmen beginnen können. 
    2. Sollte die Person KEINE Atmung besitzen, starten Sie sofort mit den Wiederbelebungsmaßnahmen. 30x Herzdruckmassage und 2x beatmen. Führen Sie das so lange durch, bis die Rettungskräfte eintreffen oder die Person wieder Lebenszeichen zeigt. Versuchen Sie auf sich aufmerksam zu machen, damit Sie Hilfe bekommen und sich mit den Reanimationsmaßnahmen abwechseln können. Das ist sehr essentiell, da sich in diversen Studien herausgestellt hat, dass die Qualität der Herzdruckmassage bereits nach wenigen Minuten nachlässt. 

Weitere Erste Hilfe Maßnahmen richten sich nach dem Stadium der Unterkühlung.

Bei Stadium I (Symptome siehe oben) kommen folgende Erste Hilfe Maßnahmen hinzu:

  • Betroffene sollten an einem warmen Ort gebracht werden und LANGSAM aufgewärmt werden
  • Kalte und/oder nasse Kleidung entfernen und die betroffene Person in trockene (Rettungs)-Decken einwickeln
  • weitere Kälteeinwirkung vermeiden
  • Betroffene NICHT aktiv wärmen (mit Wärmflaschen, Kirschkernkissen, Reiben,..)
  • bei Bewusstsein des Betroffenen: warme, gezuckerte Getränke verabreichen (z.B. Tees)
  • keine alkoholischen Getränke verabreichen
  • Betroffene beruhigen und bis zum Eintreffen der Rettungskräfte abwarten
  • Betroffene NIE alleine lassen


Bei Stadium II oder höher (Symptome siehe oben) kommen folgende Erste Hilfe Maßnahmen hinzu:

  • KEINE Aufwärmversuche unternehmen
  • Betroffene NICHT AKTIV wärmen (Wärmeflaschen, Kirschkernkissen,...)
  • bei Bewusstlosigkeit Betroffene in stabile Seitenlage bringen und zudecken

Sollten Betroffene auf dem kalten Boden liegen, ist es sinnvoll, eine Decke unterzulegen. 

Bergrettung Bergrettung (Roman Apaza/pexels)

Ein sehr besonderes Phänomen stellt der Bergungstod vor. Dabei verstirbt die betroffene Person unmittelbar nach der Bergung. Grund dafür ist die Blutumverteilung im Körper bei Kälte. Durch die Zentralisation des Kreislaufes wird das warme Blut auf das Körperzentrum (Körperstamm) konzentriert. Bei schweren Unterkühlungen ist der Temperaturunterschied zwischen Körperkern (Körperstamm) und der Körperperipherie (Extremitäten) sehr groß. Durch die Bewegung fließt das kalte Blut zur Körpermitte und senkt die Körperkerntemperatur binnen Minuten, was zu tödlichen Herzrhythmusstörungen führen kann. Rasche Bewegungen beim Umlagern sollten daher unbedingt vermieden werden.

Erfrierungen

Definition

Bei Erfrierungen handelt es sich um Haut- und Gewebeschädigungen durch kalte Temperaturen oder das Berühren von kalten Gegenständen. Körperteile, die hervorstehen, sind häufiger betroffen als andere. Dazu zählen Finger, Ohren, Nase, Wangen oder Zehen. Auch bei Erfrierungen sind Kinder gefährdeter als andere Menschen. Durch die Kälte kommt es in den betroffenen Körperarealen zu Durchblutungsstörungen, in weiterer Folge zu Sauerstoffunterversorgung und im schlimmsten Fall zum Zelltod (Nekrose). 

Winterkleidung

Winterkleidung (pasja1000/pixabay)

Einteilung

Erfrierungen werden grob in oberflächliche und tiefe Erfrierungen eingeteilt. Oberflächliche Erfrierungen betreffen die obersten Hautschichten und sind normalerweise kein Notfall. Die Symptome klingen meist wenige Minuten, nachdem die betroffene Stelle geschützt ist und wieder aufgewärmt wird, ab.  Bei längerfristigen Gefühlslosigkeiten sollte aber medizinische Hilfe aufgesucht werden. 

Bei tiefen Erfrierungen können alle Hautschichten bis inklusive Muskel betroffen sein. In ganzen schlimmen Fällen kann es sogar zur Knochenschädigung kommen und der betroffene Körperteil muss amputiert werden. Tiefe Erfrierungen sind ein medizinischer Notfall und benötigen daher umgehende ärztliche Behandlung.

Symptome

Betroffene haben Gefühllosigkeit oder Taubheitsgefühle an den betroffenen Stellen. Die Körperareale können sich bläulich-rot, weiß-gelb oder weiß-grau verfärben. Menschen mit Erfrierungen berichten auch oft vom Gefühl der zu kleinen Schuhe. Die betroffenen Stellen sind kalt, anfangs weich und schmerzhaft und in weiterer Folge hart und taub. Es kann auch zu blauroten Flecken, sowie zur Blasenbildung kommen. 

Das Problem bei Erfrierungen ist, dass sie anfangs zunächst kaum wahrgenommen werden, sondern erst beim Wiedererwärmen, wenn dann starke Schmerzen auftreten. Zu diesem Zeitpunkt ist die Schädigung meist schon sehr massiv. Beginnende Gefühllosigkeit sollte bei Kälte also immer sehr ernst genommen werden. 

Euronotruf 112 Euronotruf 112

Erste Hilfe Maßnahmen

  • Notruf verständigen: in Österreich und der Schweiz unter der Nummer 144 oder in Deutschland und europaweit unter 112
  • erfrorene Körperareale NICHT bewegen
  • enge Kleidungsstücke bzw. Schuhe öffnen
  • Erwärmung versuchen, Ausnahme sind bereits harte gefrorene Körperteile
  • Betroffene sollten versuchen die betroffenen Körperteile selbst zu bewegen (aktive Bewegung)
  • Bewegung durch Dritte (passive Bewegung) auf keinen Fall durchführen
  • KEINE aktive Wärme zuführen (Wärmeflaschen, Kirschkernkissen,...)
  • weitere Kälteeinwirkung vermeiden
  • warme gezuckerte Getränke verabreichen
  • keine alkoholischen Getränke verabreichen
  • Blasen sollten keimfrei abgedeckt werden
  • Betroffene bis zum Eintreffen der Rettungskräfte betreuen;
  • Betroffene NIE alleine lassen

Sollte gleichzeitig eine Unterkühlung vorliegen, haben Erste Hilfe Maßnahmen zur Bekämpfung der Unterkühlung Vorrang. 

Rettungshubschrauber

Rettungshubschrauber (Stuhli55/pixabay)

Was kann ich tun, um Unterkühlungen/Erfrierungen zu vermeiden?

Um Unterkühlungen oder Erfrierungen zu vermeiden, sollten Sie als Erstmaßnahme extreme Kälten vermeiden. Es ist sinnvoll, sich vorab über das Wetter zu informieren, bevor man seinen Wohnort verlässt. Bei sehr extremen Wetterlagen ist es sinnvoll, Heizmaterial und Nahrungsmittel auf Vorrat einzukaufen, um die Wetterlage am Wohnort abwarten zu können. Wenn dies nicht möglich ist, sollten Sie auf die Wahl der richtigen Kleidung achten. Sie sollte atmungsaktiv und gleichzeitig winddicht sein. Bei längeren Aufenthalten im Freien kann Ersatzkleidung und Proviant lebensrettend werden. Nicht nur bei Hitze, sondern auch bei Kälte ist es wichtig, ausreichend zu essen und zu trinken. Kontraindiziert sind aber alkoholische Getränke, weil durch den Alkohol die Blutgefäße erweitert werden und der Körper noch schneller Wärme verliert. Das Sprichwort “Alkohol wärmt” ist ein Mythos. Es wird lediglich das Wärmeempfinden verändert, welches einem ein wärmendes Gefühl vermittelt. Alkohol sorgt daher nicht nur dafür, dass der Körper schneller auskühlt, sondern gibt einem auch noch ein wärmendes Gefühl. Diese Kombination macht Alkohol bei extrem kalten Wetterlagen sehr gefährlich. Bei längeren Autofahrten oder Schneewanderungen sollten Sie auch ein Mobiltelefon mitführen, um rasch Hilfe holen zu können. 

Warmes gezuckertes Getränk

Warmes gezuckertes Getränk (JillWellington/pixabay)

Kältetelefon der Caritas

Ein besonderes Projekt zur Bekämpfung von Kältetoten, welches von der Caritas betrieben wird, ist das Kältetelefon. Dort können Sie, wenn Sie Schlafplätze von obdachlosen Menschen in den Wintermonaten entdecken, anrufen. Das Kältetelefon ist von November bis Ende April rund um die Uhr besetzt. Hier geht's zu den Telefonnummern. 

Sollten Sie also einen Schlafplatz einer obdachlosen Person entdecken, können Sie dort anrufen und sollten dabei folgende Informationen angeben:

  • Datum
  • Zeitpunkt
  • genaue Ortsangabe
  • Beschreibung der Person(en)

Wegen der unzähligen Meldungseingänge kann nicht immer ein sofortiges Einschreiten garantiert werden. In akut lebensbedrohlichen Situationen rufen Sie den Notruf: in Österreich und der Schweiz unter der Nummer 144 oder in Deutschland und europaweit unter 112

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Thomas Hofko

Thomas Hofko
Autor

Thomas Hofko befindet sich im letzten Drittel seines Bachelorstudiums der Pharmazie und ist Autor und Lektor für pharmazeutische Themen. Er interessiert sich besonders für die Bereiche Klinische Pharmazie und Phytopharmazie.

Letztes Update

19.12.2023

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Die dargestellten Inhalte ersetzen nicht die originale Beipackzettel des Arzneimittels, insbesondere im Bezug auf Dosierung und Wirkung der einzelnen Produkte. Wir können für die Korrektheit der Daten keine Haftung übernehmen, da die Daten zum Teil automatisch konvertiert wurden. Für Diagnosen und bei anderen gesundheitlichen Fragen ist immer ein Arzt zu kontaktieren. Weitere Informationen zu diesem Thema sind hier zu finden